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Auf Rezepten, welche aus öffentlichen oder Krankenkassen (Krankenversicherungsgesetz_in_der_Fassung vom 10. April 1892, Reichs-Geseßblatt S. 417) bezahlt werden, ist die Taxe für die Mittel, Arbeiten, Gefäße 2c. nach den Einzelpreisen auszuwerfen; Rezepte, welche nicht in der Apotheke verbleiben, find fortlaufend in ein Rezeptbuch einzutragen.

§ 33. Wenn der Apotheker in einem Rezepte einen Verstoß, . B. das Fehlen des Ausrufungszeichens bei Ueberschreiten der Maximaldosenvorschriften des Arzneibuchs, findet oder einen Irrthum, durch welchen ein Nachtheil für den Kranken zu besorgen ist, zu finden glaubt, so muß er darüber den verordnenden Arzt mündlich oder in einem verschlossenen Briefe verständigen. Besteht der Arzt auf Anfertigung seiner Verordnung, so kann der Apotheker dieselbe zwar auf dessen Verantwortung anfertigen, ist aber verpflichtet, dem Physikus sogleich Anzeige zu machen, oder wenn dieser die Verordnung gemacht haben sollte, lettere dem ProvinzialMedizinal-Kollegium einzusenden.

Ist der verordnende Arzt nicht zu erreichen, so ist bei Ueberschreitung der Marimaldosen die vorgeschriebene Grenze herzustellen und dem Arzte thunlichst bald Kenntniß davon zu geben.

Unleserlich geschriebene Rezepte dürfen, ohne Aufflärung durch den Arzt, nicht angefertigt werden.

Es ist nicht gestattet, für ein verschriebenes Arzneimittel ein anderes zu verwenden.

§ 34. Arzneien, welche nicht von approbirten Aerzten verschrieben sind, dürfen nur dann angefertigt werden, wenn dieselben lediglich aus solchen Mitteln bestehen, welche auch im Handverkauf abgegeben werden dürfen (Ministerial-Erlaß vom 4. Dezember 1891).

§ 35. Die in den Apotheken befindlichen Rezepte dürfen anderen Personen, als dem verordnenden Arzte, dem Kranken und dessen Beauftragten oder Vertreter weder gezeigt, noch in Ur- oder Abschrift verabfolgt werden.

§ 36. Geheimmittel dürfen Apotheker im Handverkauf nur abgeben, wenn ihnen die Zusammensegung derselben bekannt ist, die Bestandtheile zu denjenigen Mitteln gehören, welche für den Handverkauf freigegeben sind, und der Gesammtpreis des Geheimmittels sich nicht höher stellt, als dies nach einer Berechnung auf Grund der Bestimmungen der geltenden Arzneitage der Fall sein würde.

§ 37. Die Ausübung der Heilkunst ist den Apothekern untersagt. Bei lebensgefährlichen Verlegungen, Vergiftungen oder ähnlichen besonders eiligen Rothfällen soll dem Apotheker ausnahmsweise gestattet sein, Mangels rechtzeitiger ärztlicher Hülfe die von ihm für zutreffend erachteten Mittel abzugeben. Er hat aber dafür zu sorgen, daß beim Eintreffen eines Arztes diesem sofort genaue Mittheilung davon gemacht werde.

§ 38. Es ist den Apothekern untersagt, mit Aerzten oder anderen Personen, welche sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, über die Zuwendung von Arzneiverordnungen Verträge zu schließen oder denselben. dafür Vortheile zu gewähren, oder Arzneien anzufertigen, deren Inhalt durch für Sachverständige unverständliche Ausdrücke, Zeichen 2c. angegeben ist.

§ 39. Nebengeschäfte dürfen Apotheker nur mit Genehmigung des Regierungspräsidenten, und zwar in besonderen, von den Apothekenräumen getrennten und mit eigenem Eingang versehenen Gelajjen treiben.

C. Personal.

§ 40. Jeder Apotheken-Vorstand kann soviel Lehrlinge, als er Gehülfen hält, zur Ausbildung annehmen.

Wer keinen Gehülfen hält, kann einen Lehrling ausbilden, bedarf aber zur jedesmaligen Annahme eines solchen der Erlaubniß des Regierungspräsidenten, welche widerruflich ist.

In Zweigapotheken dürfen Lehrlinge nicht ausgebildet oder beschäftigt werden.

§ 41. Ber als Lehrling in eine Apotheke eintreten will, hat vorher ein von dem zuständigen Physikus auf Grund

1. des Zeugnisses über die in Gemäßheit der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 5. März 1875 § 4 Nr. 1 erforderliche wissenschaftliche Vorbildung des Aspiranten,

2. seines Revaccinationsscheines,

3. seines selbstgeschriebenen Lebenslaufes ausgestelltes Zulassungszeugniß dem Apotheken-Vorstand vorzulegen. Aus dem Zeugniß muß auch der Tag des Eintritts in die Apotheke ersichtlich sein.

Ohne dieses Zeugniß darf kein ApothekenVorstand einen Lehrling annehmen.

§ 42. Der Apotheken-Vorstand ist für die sachgemäße Ausbildung des Lehrlings verantwortlich. Er hat daher für die erforderlichen Lehrmittel zu sorgen, dem Lehrling täglich hinreichend geschäftsfreie Zeit zum Studium, im Sommer zum Sammeln von Pflanzen, zu gewähren, die Anlegung und Ordnung der Pflanzensammlung zu überwachen, demselben unter seiner oder eines Gehülfen Aufsicht praktische Arbeiten im Laboratorium zu überweisen und den Gang derselben von dem Lehrling in dessen Arbeitsbuch (Elaborationsbuch) eintragen zu lassen.

§ 43. Einem Apotheken-Vorstand, welcher seine Pflichten als Lehrherr nicht erfüllt oder sich anderweitig in sachlicher oder sittlicher Beziehung unzuverlässig erweist, fann die Befugniß, Lehrlinge auszubilden, durch den Regierungspräsidenten auf Zeit oder dauernd entzogen

werden.

§ 44. Die Ausbildung des Lehrlings untersteht der Aufsicht des zuständigen Physikus, welcher alljährlich gelegentlich der vorgeschriebenen Apothekenmusterung sich von den Keuntnissen und Fortschritten der Lehrlinge zu überzeugen hat. Zu dem Zwecke hat er auch die Pflanzensammlung, sowie das Arbeitsbuch derselben zu besichtigen und die Handschriften auf ihre Deutlichkeit zu prüfen.

Die über den gesammten Vorgang aufzunehmende Verhandlung wird von dem Physikus und dem Lehrherrn unterschrieben, bei günstigem Ergebniß der Physikats registratur einverleibt, im entgegengesezten Falle aber dem Regierungspräsidenten eingereicht.

§ 45. Ueber die Prüfung als Gehülfe und die weitere Ausbildung zum Apotheker enthalten die Bekannt= machungen des Reichskanzlers vom 5. März und 13. November 1875 (Centralblatt für das Deutsche Reich 1875 S. 167 und 761) die näheren Bestimmungen.

Apothekergehülfen, welche diesen Bestimmungen nicht genügt haben, dürfen in preußischen Apotheken nicht thätig sein.

§ 46. Der Apotheken-Vorstand ist verpflichtet, jeden Austritt eines Lehrlings sowie den Eintritt und Abgang jedes Gehülfen unter Beifügung des Gehülfenzeugnisses oder der Approbation, und bei der Entlassung des EntLassungszeugnisses behufs amtlicher Beglaubigung des selben, dem Physikus binnen 8 Tagen nach dem Eintritt, oder beim Abgang anzuzeigen.

D. 3weig, Krankenhaus-, homöopathische Apotheken und ärztliche Hausapotheken jeder Art.

§ 47. Für eine Zweig, wie für eine KrankenhausApotheke genügt eine vorschriftsmäßig, entsprechend den örtlichen Verhältnissen eingerichtete Offizin mit einem Vorrathsraume, in welchem auch kleinere Arbeiten vorgenommen werden können.

§ 48. Sämmtliche Arzneimittel einer Zweigapotheke müssen aus der Stammapotheke bezogen werden, deren Vorstand für die Beschaffenheit und Güte der Arzneimittel der Zweigapotheke verantwortlich bleibt.

Für Krankenhaus-Apotheken, in welchen kein appro= birter Apotheker thätig ist, sowie für die ärztlichen Hausapotheken müssen sämmtliche Arzneimittel aus einer Apotheke im Deutschen Reiche entnommen werden.

§ 49. Für ärztliche Hausapotheken ist in einem besonderen tages hellen, nur für diesen Zweck zu verwendenden Raume ein verschließbarer Schrank mit Fächern. und Schiebekästen aufzustellen, welche die vorschriftsmäßige Absonderung der sehr vorsichtig aufzubewahrenden Mittel crmöglichen; außerdem müssen sich hier befinden: das erforderliche Arbeitsgeräth an präzisirten Waagen und

Gewichten, Mörsern 2c., ein Arbeitstisch mit Schiebelästen, sowie ein Handdampfkocher mit Zinn und PorzellanInfundirbüchse.

Ebenso müssen das Arzneibuch, die geltende Arzneitaxe, die Bestimmungen über Hausapotheken, das Belagbuch und ein Tagebuch zum Eintragen der Rezepte_nebst deren Tarpreisen, sowie die Genehmigung zum Halten einer Hausapotheke und die Betriebsvorschriften vorhanden sein.

Die Genehmigung zur Einrichtung einer Krantenhaus-Apotheke, sowie zum Halten einer ärztlichen Hausapotheke wird von dem Regierungspräsidenten auf Antrag nach Prüfung der Verhältnisse widerruflich ertheilt; derselbe stellt auch nach Anhörung des Regierungs- und Medizinalraths das Verzeichniß der für eine ärztliche Hausapotheke zulässigen Arzneimittel fest.

E. Homöopathische Apotheken in Apotheken und ärztliche homöopathische Hausapotheken.

§ 50. Wenn in Verbindung mit einer Apotheke homöopatische Mittel in einem Schrank vorräthig gehalten werden, so ist diese Einrichtung in einem besonderen, gut belichteten Raum aufzustellen.

Handelt es sich nach dem Ermessen des Regierungspräsidenten um eine vollständige homöopathische Apotheke, so muß dieselbe in einem nur für diesen Zweck zu verwendenden hellen Raume ordnungsmäßig eingerichtet sein.

Die Urstoffe und Urtinkturen, sowie Verreibungen und Verdünnungen bis einschließlich der dritten Potenz müssen nach Maßgabe der Bestimmungen des Arzneibuch über milde und vorsichtig aufzubewahrende Mittel (Tab. C) von einander getrennt aufgestellt, die Gifte (Tab. B) mit Giftwaage und Löffel in einem verschlossen zu haltenden, als fosches bezeichnete Giftbehältniß verwahrt werden; auch muß ein mit der Aufschrift „Gift“ oder „Tab. B" oder „Venena“ bezeichneter Mörser vorhanden sein. Die Farbe der Bezeichnung der Standgefäße unterliegt den Bestimmungen für Apotheken.

Ein Arbeitstisch und Dispensirgeräthe sind stets erforderlich.

Die ärztlichen homöopathischen Hausapotheken müssen ebenfalls in einem lediglich diesem Zwecke die. nenden, gut belichteten Raume aufgestellt sein. Eine homöopathische Pharmakopöe und die geseßlichen Bestimmungen über homöopathische Hausapotheken, sowie ärztliche Approbation und Genehmigung zum Halten einer homöopathischen Hausapotheke müssen vorhanden sein. Der Arzt hat in seinem Kranken-Tagebuch ent sprechende Vermerke über Menge, Inhalt und Tarpreise der abgegebenen Mittel zu machen.

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bezeichnete Epidemie mittelst zusammenfassenden Berichtes gefälligst bis zum 1. Juli 1894 mitzutheilen. J. A.: Bartsch.

An den Königlichen Regierungspräsidenten Herrn . . . Hochwohlgeboren. . . .

Preußen. Reg.-Bez. Hildesheim. Polizei-Verordnung, betr. die Bereitung und den Ausschant von künftlichen Mineralwässern. Vom 5. Oktober 1893. (Amtsbl. S. 434.)

Auf Grund des § 137 des Gefeßes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 und der §§ 6 und 12 der Verordnung über die PolizeiVerwaltung in den neu erworbenen Landestheilen vom 20. September 1867 verordne ich mit Zustimmung des Bezirksausschusses für den Umfang des RegierungsBezirkes, was folgt:

§ 1. Künstliche Mineralwasser, einschließlich der nur zum Gebrauche als Genußmittel bestimmten, dürfen nur in Räumen bereitet werden, welche reinlich gehalten, gut gelüftet, geräumig und so hell find, daß die darin aufgestellten Gegenstände in allen Einzelheiten genau besichtigt werden können.

§ 2. Die vorgenannten Wasser dürfen nur mittels destillirten oder solchen Wassers bereitet werden, welches aus einer gegen Verunreinigung sicher geschüßten Wasserentnahmestelle herstamnt und welches bei chemischer und bakteriologischer Untersuchung als unbedentlich be funden wird.

§ 3. Die zur Bereitung der vorgenannten Wasser zu verwendenden chemischen Präparate müssen in Bezug auf ihre Reinheit die von dem deutschen Arzneibuche vorgeschriebene Beschaffenheit befizen, auch deutlich fignirt und sicher aufbewahrt werden.

§ 4. Die Verzinnungen und die Verbindungsstücke aller bei der Bereitung, Aufbewahrung und dem Ausschank vorgenannter Wasser zu benußenden Apparate müssen den Vorschriften des Reichsgeseßes vom 25. Juni 1887, betreffend den Verkehr mit blei- und zinkhaltigen Gegenständen, entsprechen.

§ 5. Die zur Bereitung vorgenannter Wasser erforderliche Kohlensäure muß chemisch rein sein.

§ 6. Die Versandt- und Schankgefäße sind sauber zu halten und sind solche von der Verwendung auszuschließen, an deren Boden oder Wandungen sich Niederschläge abgesezt haben. Dasselbe gilt auch für diejenigen tragbaren Gefäße und die mit demselben verbundenen Leitungen, in denen die betreffenden Wasser zum Ausschant außerhalb der Bereitungsstelle gelangen.

§ 7. Die Kontrole der Herstellungsräume, der Wasser, der Chemikalien und der Apparate, namentlich auch der Widerstandsfähigkeit leßterer bei 11/2 fachem Ueberdruck und der Verzinnung erfolgt nach Maßgabe des Gefeßes vom 14. Mai 1879, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegen ständen durch die Ortspolizeibehörden mindestens einmal jährlich.

§ 8. Zuwiderhandlungen gegen diese Polizei-Verordnung werden, sofern nicht anderweitige gejegliche Be stimmungen eine höhere Strafe bedingen, mit Geldstrafen bis zu 60 M, im Unvermögensfalle mit entsprechender Haft geahndet.

§ 9. Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1894 in Kraft.

Hildesheim, den 5. Oktober 1893.
Der Regierungs-Präsident.

Oesterreich. Ministerialerlaß, betr. Maßnahmen gegen
Influenza. Vom 20. Dezember 1893.

Aus Anlaß des epidemischen Auftretens der Influenza in Wien sind die politischen Landesbehörden angewiesen, für den Fall, daß die Krankheit in den unterstellten Verwaltungsgebieten epidemisch auftreten sollte, Anzeige zu erstatten und im Sinne des Ministerialerlasses vom 10. Dezember 1889 (Veröff. 1890 S. 91) vorzugehen. (Dest. San.-W. S. 17.)

Desterreich. Ein Gefeß vom 22. September 1893 regelt das Sanitätswesen in den Gemeinden des Erzherzogthums Desterreich ob der Enns, mit Ausschluß der Landeshauptstadt Linz und der Stadt Steyr; durch Gesez vom gleichen Tage sind für den Umfang desselben Gebietes die Todten beschau gebühren geregelt worden. (Deft. San.-W. 1894 S. 2 und 7).

- Zur Durchführung des Gesetzes vom 22. Dezember 1891 über die Errichtung von Aerztekammern (vgl. Beröff. 1892 S. 114) ist im Erzherzogthum Desterreich unter der Enns eine Verordnung des Statthalters am 30. November 1893 erlassen worden. (Ebd. S. 8.)

Thierseuchen.

Verbreitung von Thierseuchen im Deutschen Reiche im Dezember 1893.

(Im Kaiserlichen Gesundheitsamte nach amtlichen Mittheilungen zusammengestellt; für Preußen und Braunschweig liegen Nachweisungen nur über Maul- und Klauenseuche vor.)

Der Roß (Wurm) wurde festgestellt in je 1 Gehöft der Bezirke Friedberg (Oberbayern), Waldsee (Donaukreis) und Dessau (Anhalt).

Die Maul- und Klauenseuche hat zwar in den Regierungsbezirken Marienwerder, Frankfurt, Breslau, Oppeln, Düsseldorf und im Ober- Elsaß etwas zugenommen, dagegen ist sie in Königsberg, Potsdam, Merseburg zurückgegangen. Erheblich weniger betroffen als im Vormonate waren die Regierungsbezirke Gum binnen und Niederbayern, sowie das Königreich Sachsen. Die Seuche herrschte am Schlusse des Berichtsmonats nachweislich noch in den preußischen Regierungsbezirken Königsberg, Gumbinnen, Danzig, Marienwerder, Botsdam, Frankfurt, Posen, Bromberg, Breslau, Oppeln, Merseburg, Hannover, Münster, Kassel, Wiesbaden, Düsseldorf, Aachen, ferner in den bayerischen Regierungsbezirken Oberbayern, Niederbayern, Pfalz, Oberpfalz, Mittelfranken, Schwaben, in den fächsischen Kreishauptmannschaften Leipzig, 3widau, im württembergischen Nedar, Jagstund Donaukreis, in den badischen Landeskommissärbezirken Freiburg, Karlsruhe und Mannheim, in den hessischen Provinzen Starkenburg und Rheinheffen, in beiden Mecklenburg, in Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Koburg-Gotha, Hamburg, im Ober-Elsaß und in Lothringen. Die meisten Gemeinden blieben Ende Dezember verseucht im Regierungsbezirk Gumbinnen (38), in MecklenburgStrelik (14) und im Ober-Elsaß (11). In den durch gesperrten Drud hervorgehobenen Verwaltungsgebieten war am Jahresschlusse nachweislich nur je 1 Gemeinde betroffen.

Die Lungenfeuche wurde festgestellt in 1 Gehöft des Kreises Zerbst (Anhalt).

Ausbrüche der Schafräude find in 2 Gemeinden von Niederbayern, 3 von Oberfranken, je 1 von Mittelfranken, Schwaben, der Kreishauptmannschaft Leipzig, des Neckar- und des Donaukreises, 2 des Landeskommissärbezirks Freiburg, 4 von Oberhessen, je 1 von Rheinhessen, Sachsen-Koburg-Gotha, Waldeck und des Bezirks Lothringen ermittelt.

Deutsches Reich. Die Verbreitung der Maul. und Klauenseuche im Jahre 1892.1)

Nach dem bereits erwähnten Jahresberichte über die Verbreitung der Thierseuchen im Deutschen Reiche im Jahre 1892, welcher im Kaiserlichen Gesundheitsamte bearbeitet und im Verlage von Julius Springer in Berlin erschienen ist, hat die Maul- und Klauenseuche das ganze Jahr hindurch geherrscht und einen bisher nicht beobachteten hohen Stand erreicht.2) Sie hat schon im 1. Berichts

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vierteljahr an Ausbreitung erheblich gewonnen und bis gegen das Jahresende fast ununterbrochen zugenommen. Bom 3. Vierteljahre an trat dieselbe insbesondere in den süddeutschen Staaten vielfach unter bösartigem Charakter auf, so daß ihr mehrere Tausend Stück Großvieh zum Opfer fielen. Im Laufe des Berichtsjahres sind im ganzen Reiche ungefähr 9/10 sämmtlicher Kreise 2c. (gegen 7/10 im Vorjahre) von der Seuche heimgesucht worden. Verschont geblieben ist kein Staatsgebiet; verhältnißmäßig wenig betroffen waren SchleswigHolstein, die Regierungsbezirke Stade und Osnabrück, sowie das Herzogthum Oldenburg. Während bei Beginn des Berichtsjahres nur 1416 Gehöfte in 535 Gemeinden verseucht waren, erwiesen sich am Schlusse des Berichtsjahres 6024 Gehöfte in 2495 Gemeinden betroffen. Die Seuche herrschte in sämmtlichen 26 Staaten (25 im Vorjahre) in 84 Regierungs- 2c. Bezirken (79), 932 Kreisen 2c. (739), 25 341 Gemeinden 2c. (10 545) und 107 345 Gehöften 2c. (47 865). Die Gesammtzahl der Thiere in den neu verseuchten Gehösten 2c. betrug 1504 308 Stück Rindvich, 2193 187 Schafe, 17 782 Ziegen, 438 262 Schweine, zusammen 4 153 539 Thiere.

Die größten Bestände an Thieren in den neu betroffenen Gehöften wiesen auf die Regierungs- 2c. Bezirke Bromberg (318 733), Frankfurt (282 352), Pojen (261 790), Marienwerder (253 340), Magdeburg (251 320), Königsberg (250 184), Potsdam (250 005), Stralsund (241 583), Breslau (173 448), Mecklenburg - Schwerin (166 606), Berlin (135 151), Köslin (129 020), Stettin (124 428), Merseburg (107 083), Liegniß (88 467), Leipzig (77 185), Mecklenburg-Strelit (71 582), Braunschweig (70292), Dresden (62946), Oberbayern (61 667); - von den Kreisen 2c. Franzburg (119 942), Arnswalde (116 737), Greifswald (76 787), Soldin (66 072), Neubrandenburg (59 930), Wongrowiß (56 247), Kulm (49 876), Inowrazlaw (48 631), Rastenburg (47 591), 3nin (46 730), Die größten Bestände an Rindvich waren verfeucht in den Regierungs- 2c. Bezirken Posen (148 669), Breslau (107 279), Königsberg (86 531), Potsdam (81 488), Bromberg (78 573), Magdeburg (74 600), Merseburg (63 481), Marienwerder (52 881), Frankfurt (49 913), Mecklenburg-Schwerin (49 683), Oberbayern (49 443), Liegniß (40 716), Stralsund (35 988), Berlin (35 788), Leipzig (33 222), Schwaben (32 981), Stettin (31 591), in den Kreisen 2c. Königsberg (18 918), Franzburg (14 848). Inowrazlaw (14 326), Breslau (13 492), Rastenburg (13 362), bornit (13 160), Dels (12822), Posen West (12 273), Samter (12070), 3uin (11 954). Die größten Bestände an Schweinen in den neu betroffenen Gehöften befanden sich in den Bezirken Berlin (70 587), Bromberg (35 693), Königsberg (27 931), Leipzig (26 845), Magdeburg (22348), Posen (21 960), Marienwerder (20 981), Frankfurt (19 769), Dresden (16906), Mecklenburg - Schwerin (13 598), Stralsund (12 889), Köslin (11 891), Breslau (11 446), Potsdam (11 073), Liegniß (8105); in den Kreisen 2c. Stadtbezirk Leipzig (9983), Franzburg (8509), Meißen (8056), Buin (6576), Inowrazlaw (6273), Wongrowi (6224), Oscha (5621), Wismar (5497), Rastenburg (5326), Neubrandenburg (5214).

Einschleppungen der Maul- und Klauenseuche aus dem Auslande haben wiederum in vielen Fällen namentlich durch Schmuggelvich stattgefunden. Im Inlande wurde die Seuche nachweislich durch Viehtransporte aus einem Staatsgebiete in das andere ver= schleppt; viele Thiere gelangten bereits erkrankt oder an gesteckt in den Besiß der neuen Eigenthümer und veranlaßten dadurch weitere Ausbrüche.

In zahlreichen Fällen ist die Verbreitung der Maulund Klauenseuche auf die Unterlassung oder mangelhafte Ausführung der polizeilichen Maßregeln zurückgeführt. Es sind in dieser Hinsicht besonders zu erwähnen: Gleichgültigkeit und Lässigkeit der Besizer, Verheimlichung und verspätete Anzeige der Seuchenausbrüche, verspätete und unzureichende Ausführung der Sperrmaßregeln, verbotwidriger Verkehr von Personen in verseuchten Ställen und auf Weiden, Treiben und Transportiren tranker Thiere auf öffentlichen

Straßen, gemeinsame Weiden und Tränken, unerlaubte Benußung kranker Thiere zu Gespanndiensten, Abfuhr von Dünger und Jauche aus verseuchten Gehöften, Unterlassung oder mangelhafte Ausführung der vorgeschriebenen Desinfektion u. dgl. Aber auch bei vorschriftsmäßiger Anwendung der angeordneten Sperrmaßregeln war es vielfach nicht möglich, die Verbreitung der Seuche zu verhindern, weil die Verschleppung des Ansteckungsstoffes auch durch gesunde Thiere, leblose Gegenstände und den Bersonenverkehr vermittelt wurde. In dieser Hinsicht haben einen schädlichen Einfluß ausgeübt Viehmärkte, Viehausstellungen, Hausirhandel mit Vieh, Gastställe, Weidegang, Vichtrich auf öffentlichen Wegen, Umstellung von Vich beim Gesindewechsel, Benuhung von Thieren zu Gespanndiensten und Zulassung zur Begattung, zu gemeinschaftlichen Tränken u. s. w. Von Thieren dienten ferner als Zwischenträger namentlich Pferde, Hunde, Kazen, Ziegen, Wild, Geflügel, von leblosen giftfangenden Sachen Milch aus Sammelmolkereien, frische Thierhäute, Stallgeräthe, Zaumzeuge, Vichwagen, Dünger; von Personen insbesondere Vichbesizer, Viehhändler, Fleischer, Hausirer, Dienstboten, Hirten. Bei dem erwähnten bösartigen Verlauf der Scuche ist der Tod ohne Vorboten plöglich und schlagähnlich eingetreten. In Bayern sind im September in den Bezirken Weilheim, Miesbach, München I und II, Mühldorf, später auch in anderen Bezirken zahlreiche solche Fälle vorgekommen und haben bis zum Sommer 1893 gegen 3000 Stück Großvich zum Opfer gefordert. In Württemberg hat sich der bösartige Charakter der Seuche schon Ende August gezeigt; bis zum Jahresende sind der lezteren 500 Stück Rindvieh erlegen, während weitere 124 Stück nothgeschlachtet werden mußten. Dieselbe ist fast in der Hälfte der Oberamtsbezirke, und in den verschiedensten Gegenden des Landes, wie in Balingen, Weinsberg, Wangen, Nagold hervorgetreten. In Baden sind vom 4. Vierteljahre an 463 Rinder an der Seuche gefallen.

Die Zeit, welche zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Krankheit verstrich, schwankte nach den zahlreichen Angaben zwischen 1 und 8 Tagen. Impfungen, d. h. absichtliche Uebertragungen der Seuche behufs Erzielung eines rascheren und milderen Verlaufs derselben sind auch im Berichtsjahre in fast allen Bundesstaaten ausgeführt worden. In den meisten Fällen ist auch der beabsichtigte Erfolg erreicht, doch fehlt es auch nicht an gegentheiligen Angaben. Uebertragungen der Seuche auf Menschen haben in vielen Fällen stattgefunden, besonders nach dem Genusse roher oder ungenügend gekochter Milch, sowie von Molkereiprodukten (Butter, Buttermilch). Ferner erfrankten zahlreiche Personen an den Händen und den Lippen infolge Ansteckung beim Melken, sowie bei der Behandlung kranker Thiere.

Von

Niederlande. (Vgl. Veröff. 1893 . 1009.) Thierseuchen sind im Dezember 1893 gemeldet: Milz brand unter dem Rindvich in den Gemeinden Corle (Gelderland), de Wyk bei Meppel (Drenthe), Dudega, St. Anna-Parochie (Friesland), Spieringhorn (Nordholland), Tilburg, Enschot (Nordbrabant); Pocken unter den Schafen in Pernis (Südholland); Pocken unter dem Rindvich in Rozendaal (Nordbrabant); Schweinefeuche in Archem (Ober-Yffel); Influenza unter den Kavalleriepferden in Haag (Südholland).

Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen.

Schweiz. Bundesrathsbeschluß vom 27. Dezember 1893.

1. Vom 28. Dezember 1893 an ist die Einfuhr von Klauenvieh italienischer Herkunft bis auf Weiteres verboten.

2. Das Industrie- und Landwirthschaftsdepartement wird ermächtigt, denjenigen Kantonen Ausnahmebewilligungen zu ertheilen, welche sich verpflichten:

a) das importirte Vich in geeignete, leicht desinfizirbare und unter beständiger sanitätspolizeilicher Aufsicht stehende Stallungen (Kontumazstallungen) verbringen und b) dasselbe bis zur Abschlachtung sanitätspolizeilich überwachen zu lassen.

Frankreich. Verordnung Des Ackerbauministers, betr. das Verbot der Einfuhr von Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen aus der Schweiz. Vom 29. Dezember 1893. (Journ. offic. vom 30. Dezember 1893.)

Arrêté: Art. 1er.

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L'importation en France et le transit des animaux des espèces bovine, ovine, caprine et porcine provenant du territoire de la Confédération helvétique, sont interdits jusqu'à ce qu'il en soit autrement ordonné.

Art. 2. Les bureaux de douane du territoire de Belfort et des départements du Doubs, du Jura, de l'Ain et de la Haute-Savoie sont temporairement fermés à l'introduction des animaux desdites espèces.

Toutefois, les dispositions du présent article ne feront pas obstacle à l'introduction des animaux de l'espèce ovine provenant d'Allemagne et d'AutricheHongrie, qui seront expédiés dans les conditions fixées par l'arrêté ministériel du 21 janvier 1892,1) à destination du sanatorium établi à Paris aux abattoirs de la Villette, sous reserve que le transit par la Suisse aura été effectué en wagons plombés.

Art. 3. Les préfets des départements du Doubs, du Jura, de l'Ain, de la Haute-Savoie et l'administrateur du territoire de Belfort sont chargés, chacun en ce qui le concerne, de l'exécution du présent arrêté.

Fait à Paris, le 29 décembre 1893.
Viger.

Luremburg. Nach dem Luxemburgischen_Memorial vom 8. Januar hat die Regierung aus Anlaß des Auftretens der Lungenseuche in einem benachbarten französischen Grenzort die Einfuhr von Hornvieh einschl. der Kälber aus Frankreich in das Groherzogthum bis auf Weiteres verboten.

Schweden. (Vgl. Veröffentl. 1893 . 58.) Laut Befanntmachung des Königlichen Kommerz-Kollegiums vom 2. Januar d. Js. darf die Einfuhr jeewärts von Rindvich, Schafen, Ziegen und anderen Wiederkäuern, sowie von Pferden nach folgenden Städten, nämlich: Helsingborg, Hernösand, Kongelf, Landskrona, Lulea, Malmö, Stockholm, Sundsvall und Umeå stattfinden.

Neu-Süd Wales. Nach der Regierungs- Zeitung Nr. 758 vom 31. Oktober, bezw. Nr. 771 vom 7. November 1893 ist je eine Vertrauensperson in London und Harrow on the Hill von der Regierung zu Sydney ermächtigt worden, das nach dort zu sendende Vich vor dem Abgang zu besichtigen und über den Befund glaubhafte Zeugnisse auszustellen. Die Dienste der betreffenden Vertrauenspersonen dürfen nur durch Vermittelung des Generalagenten der Kolonie NeuSüd-Wales in London in Anspruch genommen werden. Für die Besichtigung sind bestimmte Gebühren zu entrichten.

Rechtsprechung.

Verkauf eines Liquor Colchici compositus mit einem Golchicingehalt von 0,08% seitens eines Apothekers an einen Gichtkranken. Tod des Lehteren durch Golchicinvergiftung in Folge unvorschriftsmäßigen Gebrauchs des Mittels.

1. Urtheil des Landgerichts zu Elberfeld vom 18. Januar 1892. Der Angeklagte, Apotheker M. zu L., hatte seit 1882 in Nachahmung eines angeblich bewährten, von dem französischen Arzte Laville erfundenen Gichtmittels, welches 0,09% Colchicin enthielt, eine Mixtur hergestellt und verkauft, die er „Liquor Colchici compositus“ nannte und als „besonders wirksam bei akuten Gicht= anfällen anpries. Der Colchicingehalt des Liquors

1) Veröff. 1892 S. 76.

betrug anfänglich 0,1%, ist aber später bis auf 0,08% verringert worden. Der Liquor wurde in Fläschchen von je etwa 60 g Inhalt versandt, jedes Fläschchen enthielt mithin etwa 5 cgm Colchicin.

Der Gastwirth N. zu E., welcher an Gicht litt und, wie er dem Angeklagten mittheilte, den Liquor bereits mit Erfolg gebraucht hatte, bezog von demselben im März 1889 zwölf Flaschen des Mittels. Beigefügt war der Sendung eine Gebrauchsanweisung, in welcher ge sagt war, der Liquor sei ein starkes Ärzneimittel und es erscheine deshalb angezeigt, einen Auszug aus dem Büchlein über das (ähnliche) Präparat des Dr. Laville zu geben; die Gabe sei nach den Kräften des Kranken und der Stärke des Anfalles zu bemessen und jedenfalls einzuschränken, wenn übermäßiger Durchfall erfolge; durch Dr. Laville sei der Grundsaß aufgestellt worden, innerhalb 48 Stunden nie mehr als 3 Theelöffel zu verbrauchen; immerhin sei zu rathen, höchstens 2 Theelöffel voll an einem Tage zu verbrauchen und mit dem weiteren Einnehmen dann auf jeden Fall 24 Stunden auszuseßen; .... das Maß, welches zu halten sei, ergebe sich aus den meist erfolgenden Larmentleerungen....; im Allgemeinen sei zu rathen, mit kleinen Gaben (etwa 1/2 Theelöffel) zu beginnen, dieselben lieber im Laufe des Tages ein bis zwei Mal zu wiederholen und erforderlichen Falles zu steigern, wenn weder Besserung noch Stuhlgang eintrete. wenn bei kleinen Anfangsgaben Besserung nicht eintrete, so steigere man die Gabe, bis mäßiger Stuhlgang eintrete.

Unter anderem nahm N. am Abend des 12. Januar 1890 aus einer Flasche seines Vorraths, welche er binnen dreimal 24 Stunden nach und nach ungefähr zur Hälfte geleert hatte, einen kräftigen Schluck, sodaß nur noch ein Rest von wenigen Gramm zurückblieb. Nach kurzer Zeit wurde ihm sehr unwohl. In der Nacht stellte sich heftiger Durchfall mit Erbrechen ein. Die gegen Morgen seitens des hinzugerufenen Hausarztes Dr. 2. angewandten Gegenmittel erwiesen sich als unwirksam, der Durchfall und das Erbrechen waren nicht zu bewältigen, der Athem wurde immer schneller, die Herzthätigkeit schwächer. Am 14. Januar morgens 6 Uhr trat der Tod ein.

Nach dem einstimmigen Gutachten der ärztlichen Sachverständigen Dr. 6., Kreisphysikus Dr. B., Kreiswundarzt Dr. und Medizinalrath Dr. K., welches sich auf die Krankengeschichte und auf die Obduktion des N. stüßte, ist N. in Folge des Genusses des Liquor an Colchicin= vergiftung gestorben.

Der Verstorbene hatte zum Mindesten eine halbe Flasche auf ein Mal geleert und daher mindestens 2,4 cgm Colchicin in sich aufgenommen. Nach dem Gutachten des Dr. W. hatte in den von erprobten wissenschaftlichen Autoritäten beobachteten Fällen von tödtlich verlaufener Colchicinvergiftung der Patient ein Mal 3 cgm, in einem anderen Falle 2,4 cgm und in einem dritten Falle 2,45 cgm Colchicin genossen. Nach den für Preußen geltenden Medizinalvorschriften betrug die Marimaldosis, welche die Aerzte von Colchicin verschreiben dürfen, 3 mg für die Einzelportion und 9 mg für den ganzen Tag; in der Zeit nach dem in Rede stehenden Vorfalle ist die Marimaldosis noch auf 2 mg herabgesezt worden. Bei der Gefährlichkeit des Liquors nahm das Gericht in Uebereinstimmung mit dem einhelligen Gutachten der Sachverständigen für that sächlich festgestellt an, daß der Angeklagte bei der Aushändigung des Mittels an den Verstorbenen unvor= sichtig zu Werke gegangen sei, denn er hätte sich sagen müssen, daß es gefährlich sei, ein tödtliches Gift an einen Menschen abzugeben, den er gar nicht gekannt und dessen Konstitution tein Sachverständiger vorher ge prüft, der auch bezüglich des Gebrauchs des Mittels leiner sachverständigen Kontrole unterlegen hätte. Schon das bestellte Quantum (12 Flaschen) hätte ihn stußig machen müssen; denn da ein solches Quantum bei sachgemäßem Verbrauch den Bedarf eines Mannes für eine Reihe von Jahren decke, so hätte Angeklagter sich sagen müssen, daß R. sich schwerlich bewußt gewesen

sei, daß das Mittel nur in sehr kleinen Quantitäten genommen werden dürfe. Die der Sendung beigefügte Gebrauchsanweisung sei zu dehnbar, zu unbestimmt. Der Angeklagte hätte sich bei vorsichtigem Handeln die Nothwendigkeit größerer Präzision in der Anweisung um so mehr zum Bewußtsein bringen müssen, als das Mittel für Gichtkranke bestimmt gewesen sei, welche oft an kaum erträglichen Schmerzen litten und alsdann sehr geneigt seien, von dem Linderungsmittel in großer Quantität zu genießen. Daß der Verstorbene die Gebrauchsanweisung mißverstanden habe, gehe daraus hervor, daß er dem Dr. C. auf dessen Frage, warum er denn soviel genommen habe, geantwortet habe, er habe geglaubt, der bevorstehende Anfall werde sehr heftig sein und er sei ein starker Mann; in der Gebrauchsanweisung stehe, daß die Größe der Gabe sich nach der Stärke des Anfalles und der Person zu richten habe. Wenn der Angeklagte gegen die Anklage einwende, daß der Tod des N. nicht mit der Abgabe des Liquors im Kausolzusammenhang stehe, sondern lediglich dem vorschriftswidrigen Gebrauche des Liquors zu zuschreiben sei, so sei dies deshalb unrichtig, weil N. nicht vorschriftswidrig gehandelt habe; denn die Vorschrift habe kein bestimmtes Verbot enthalten.

Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Tödtung aus § 222 Abs. 2 Str.-G. zu 1 Monat Gefängniß verurtheilt. Es kam dabei in Betracht, daß er zu der von ihm außer Acht gelassenen Aufmerksamkeit durch seinen Beruf und Gewerbe als Apother und Händler mit Arzneimitteln besonders verpflichtet war. Bezüglich der ihm gleichzeitig zur Last gelegten Uebertretung des § 3675 St.-G. in Verbindung mit der preußischen Ministerialverordnung vom 3. Juni 1878, begangen durch Abgabe des Liquor an die Zengen L. und G. erfolgte wegen eingetretener Verjährung Einstellung des Verfahrens.

2. Urtheil des Reichsgerichts vom 9. Mai 1892.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das vorstehende Urtheil hob das Reichsgericht unter nachstehender Begründung letteres auf und verwies die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Düsseldorf:

„Was zunächst die von der Revision gegen das angefochtene Urtheil erhobene Rüge des Mangels der Fahrlässigkeit und des Kausalzusammenhanges betrifft, so stellt das Urtheil in thatsächlicher Hinsicht fest, daß der Tod des p. N. auf die ohne genügende Kautelen vom Angeklagten bethätigte Abgabe des von dem Verstorbenen gegen Sicht gebrauchten Mittels liquor colchici compositus - als wesentlichste Ursache zurück» zuführen sei.

Den Mangel dieser Kautelen findet das Urtheil nach 2 Richtungen hin: 1. in der Unterlassung des Angeflagten, sich zu vergewissern, ob er ein so gefährliches Gift enthaltendes Mittel, wie das in Frage stehende, an den ihm ganz unbekannten N. abgeben könne, ob dessen Konstitution den Gebrauch dieses Mittels überhaupt zulasse, nnd ob dieser Gebrauch selbst sachverständiger Kontrole unterliege; - und 2. in der weiteren Unterlassung der Beifügung einer entsprechenden Gebrauchsanweisung, welche mit der erforderlichen Klarheit den gefährlichen Charakter des Mittels erkennbar mache. Das angefochtene Urtheil nimmt sodann weiter an, daß der Angeklagte bei diesen Unterlassungen nach beiden Richtungen unvorsichtig gehandelt habe, indem er sich zur Vermeidung schädlicher Folgen seines Mittels die Nothwendigkeit jener Vergewisserung und einer größeren Genauigkeit der Gebrauchsanweisung bei gehöriger Aufmerksamkeit zum Bewußtsein hätte bringen können und müssen.

Prüft man nun aber die sub 1 näher gekenn zeichnete Unterlassung nach ihrer thatsächlichen Unterlage, so ergiebt sich, daß die bezüglichen Ausführungen des angefochtenen Urtheils, wie namentlich: der Ange flagte hätte sich sagen müssen, daß es gefährlich sei, das fragliche Mittel an den ihm unbekannten und ärztlicher Kontrole nicht unterstehenden N. abzugeben

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